Draußen riecht die Luft nach kaltem Holz und ersten Plätzchen.
- Über den Dächern von Bratonien hängt ein dünner Dunst aus Zucker und Geheimnissen,
- und im Schloss knistert das Kaminfeuer wie eine Erinnerung daran,
- dass jeder Anfang ein kleines bisschen Mut braucht.
+Der erste Dezember begann in Bratonien mit dem Geruch von kaltem Holz und einem Hauch +Plätzchen, der eindeutig nicht aus der Schlossküche kam. Irgendwo im Dorf hatte wieder +jemand zu früh angefangen – wie jedes Jahr. +
-Erna steht am Fenster, eine Tasse Kaffee in der Hand,
- und beobachtet, wie Barney im Hof versucht, die Lichterkette zu entwirren.
- „Das Jahr geht nie leise zu Ende“, murmelt sie –
- und er antwortet, ohne aufzusehen: „Dann fangen wir besser laut an.“
+Im Hof stand Barney mit hochgezogenen Schultern und hielt eine Lichterkette, die aussah, +als hätte sie die Nacht damit verbracht, sich selbstständig weiterzuentwickeln. Erna +beobachtete ihn vom Fenster aus und nahm einen Schluck Kaffee, als müsse sie sich mental +auf das vorbereiten, was gleich passieren würde. +
-Ein Lächeln huscht über beide Gesichter.
- Denn irgendwo, zwischen goldenen Schleifen und kalten Fingern,
- beginnt genau jetzt das, worauf ganz Bratonien gewartet hat:
- die Adventszeit.
+„Das Jahr geht nie leise zu Ende“, murmelte sie. +Barney schaute kurz hoch. +„Dann fang ich halt laut an“, sagte er, und in dem Moment wickelte sich ein Teil der +Lichterkette um seinen Arm, als wolle sie ihn verhaften. +
+ ++Drinnen roch die große Halle nach Tannenzweigen, geöltem Holz und einer deutlichen Spur +Falbala. Sie hatte am Vorabend den Boden gebohnert, „weil der erste Dezember das +verdient“. Und weil sie heimlich hoffte, dass vielleicht endlich mal jemand darauf +ausrutschte und zugab, dass es kein Versehen war. +
+ ++Auf der Fensterbank lag der alte Adventskalender. Falbala hatte ihn mehrmals repariert, +einmal versehentlich falsch herum zusammengeschraubt und einmal mit einem Glöckchen +versehen, „damit er Geräusche macht, wenn er gute Laune hat“. Heute machte er keine. +Erna öffnete Türchen Nummer eins. „Schloss bei Nacht“, stellte sie fest. „Unverhofft.“ +
+ ++In der Küche wartete bereits Kaffee – nicht von Falbala. Sie schlief noch, was selten +vorkam und meistens bedeutete, dass sie entweder zu spät ins Bett gegangen war oder +einen Traum hatte, der zu gut war, um ihn zu verlassen. +
+ ++Als sie schließlich erschien, setzte sie sich schwer auf einen Stuhl. +„Ich hab geträumt, dass der Ofen mit mir diskutiert hat.“ +„Hat er gewonnen?“, fragte Barney. +„Er hat angefangen zu singen. Da bin ich gegangen.“ +
+ ++Hades stimmte im Musikzimmer seine Geige. Wie immer am ersten Dezember – ein Ritual, +über das niemand mit ihm sprach, weil es ohnehin keine Wirkung gehabt hätte. Aus dem +Gang hörte man Tonfragmente, die sich anhörten, als würde die Geige über den neuen +Monat verhandeln. +
+ ++Gegen späten Vormittag trafen sie sich alle in der Halle. Barney legte seine halbwegs +entwirrte Lichterkette auf den Tisch. „Ich hab gewonnen“, sagte er. +„Sieht nicht so aus“, antwortete Falbala. +„Sie hat angefangen, beleidigt zu summen.“ +„Lichterketten summen nicht.“ +„Diese schon.“ +
+ ++Erna stellte ihren Kaffee ab. „Gut, Leute. Erster Dezember. Wir nehmen uns nicht zu viel +vor.“ +„Ich nehm mir immer nicht viel vor“, meinte Hades. +„Dann bist du heute absolut im Konzept.“ +
+ ++Der Nachmittag verging ruhig. Falbala verteilte Orangen und Zimtstangen im Schloss, +„damit niemand behaupten kann, er rieche den Dezember nicht“. Barney prüfte die +Lichterkette erneut und erklärte, sie sei „jetzt nur noch geringfügig unberechenbar“. +Hades sortierte Notenblätter und spielte gelegentlich etwas, das Falbala als „den +verzweifelten Versuch eines Motivs“ bezeichnete. Erna schrieb und verwarf +Podcast-Notizen im Wechsel. +
+ ++Beim Abendessen erzählte Falbala, dass der Wasserkocher heute zweimal gepfiffen habe, +obwohl niemand ihn benutzt hatte. Barney meinte, Küchengeräte seien im Dezember +grundsätzlich übermotiviert. Erna ließ die Diskussion ohne Kommentar durchziehen. +
+ ++Später, als alle schon in Richtung ihrer Zimmer gingen, blieb Erna im Gang stehen. Sie war +sich nicht sicher, ob sie es gehört hatte: ein sehr leises Summen irgendwo tief im Schloss, +kaum mehr als ein Eindruck. Vielleicht die Heizung. Vielleicht der Wind. Vielleicht Barneys +Lichterkette mit künstlerischen Ambitionen. +
+ ++Sie horchte kurz, dann zuckte sie mit den Schultern. Der erste Dezember war kein Tag für +Geräusche, die keine klaren Absichten hatten. +
+ ++So endete er – warm, schräg und vielversprechend. Bratonien eben. +
Und wer genau hinsieht, entdeckt: das kleine Daumenkino verändert sich.
+ Der zweite Dezember begann mit Zimt.
+ Nicht mit Glocken, nicht mit Gesang – nur mit dem ehrlichen, klebrigen Versuch, Weihnachten in Blechform zu gießen.
+ Falbala stand in der Schlossküche, den Ärmel hochgekrempelt, ein Holzlöffel wie ein Marschbefehl in der Hand,
+ und starrte auf einen Teig, der sich weigerte, sich an irgendetwas zu halten – Regeln, Rezept oder Finger.
+
+ „Das ist doch nicht dein Ernst“, sagte sie zu niemandem, außer vielleicht zum Teig selbst,
+ der in zähen Wellen am Rand der Schüssel klebte.
+ Der Ofen summte leise im Hintergrund, so zuverlässig wie immer. Dachte sie.
+
+ Das erste Blech verbrannte.
+ Nicht leicht gebräunt, nicht knusprig – verkohlt.
+ Und das, obwohl sie exakt die gleiche Zeit genommen hatte wie jedes Jahr.
+ Der Blick auf die Küchenuhr bestätigte es.
+ „Also wirklich“, murmelte sie, „wenn du damit anfangen willst, dann mach das gefälligst im Februar.“
+
+ Zwei Räume weiter versuchte Hades, „Still, still, still“ auf der Geige zu spielen.
+ Das klang an sich schon nach Selbstüberlistung – aber heute klang es vor allem falsch.
+ Dumpf, spannungslos. Als würde die Geige mit ihm streiten.
+ Er setzte dreimal neu an, korrigierte die Stimmung, lauschte –
+ und hörte nichts als Widerspruch.
+ Beim vierten Mal legte er den Bogen nieder,
+ stand auf und verließ den Raum, als hätte ihn etwas beleidigt.
+
+ Im Innenhof stand Barney mit hochgezogener Kapuze in der Kälte.
+ Die neue Lichterkette, die er gestern mit beinahe kindlicher Sorgfalt aufgehängt hatte,
+ flackerte wie ein widerspenstiger Sternenhimmel.
+ Erst ging sie, dann nicht, dann wieder nur halb – dann leuchtete sie in Farben, die nicht vorgesehen waren.
+ Barney fluchte nicht. Noch nicht.
+ Er holte ein Ersatzkabel, prüfte die Verbindungen, tippte gegen das Steuergerät.
+ Nichts half.
+
+ „Vielleicht bist du beleidigt, weil ich nicht die aus dem Katalog genommen habe“,
+ sagte er schließlich zur Kette.
+ Sie antwortete mit völliger Dunkelheit.
+
+ Erna stand derweil in der großen Halle, zündete die Kerzen auf dem Kranz erneut an –
+ und sah zu, wie die mittlere fast sofort wieder verlosch.
+ Kein Luftzug, kein Knacken, kein sichtbarer Grund.
+ Nur ein leiser, harmloser Tod der Flamme.
+ Beim zweiten Versuch blieb sie an.
+ Aber sie flackerte nervös, als würde sie etwas ahnen.
+
+ Am Abend saßen alle in der kleinen Speisekammer am Tisch – Falbala mit Mehl in den Haaren,
+ Hades mit dem Blick ins Nichts, Barney mit den Händen in der Jackentasche.
+ Niemand sagte etwas.
+ Niemand wollte anfangen.
+ Und Erna, die die Stille bemerkte, tat das Einzige, was sie tun konnte:
+ Sie griff zur Kaffeekanne und schenkte nach.
+
+ Die Lichterkette blieb dunkel.
+ Alle Zutaten in einer großen, mikrowellengeeigneten Tasse gut verrühren.
+ Bei 800 Watt ca. 90 Sekunden in die Mikrowelle stellen – nicht überbacken.
+ Optional: mit Puderzucker bestäuben oder Schokostückchen eindrücken. Hinweis: Funktioniert auch bei Stromausfall nicht schlechter als Falbalas Blech.
diff --git a/adventskalender/2025/content/day02.html b/adventskalender/2025/content/day02.html
new file mode 100644
index 0000000..f806913
--- /dev/null
+++ b/adventskalender/2025/content/day02.html
@@ -0,0 +1,158 @@
+🎁 2. Dezember – Wenn es still wird
+ Bratonischer Tassenkuchen/h3>
+
+
+
+
+ Zutaten
+ Zubereitung
+