Der siebte Dezember begann dort, wo der sechste geendet hatte: in der Bibliothek, zwischen offenen Büchern und unbeantworteten Fragen.
Erna blätterte in einem Folianten, der nach Leim und Vergangenheit roch, Barney kritzelte Notizen auf einen Schmierzettel und fluchte leise über eine Skizze, in der Rohre sich gegenseitig in die Quere kamen wie beleidigte Schlangen.
„Ich glaube, der Kollektor ist nicht das Zentrum“, murmelte er.
„Aber er leitet etwas weiter. Vielleicht das, was Minze mit Schwingung meinte.“
Erna nickte, ohne aufzusehen.
„Und wenn das gestört ist, kann es überall zu Reaktionen kommen. Vielleicht sogar zu... akustischen.“
In diesem Moment ging die Tür auf. Falbala trat ein – mit zerzausten Haaren, einem Tablett in der Hand und einer Laune, die auch ohne Worte deutlich war.
„Hier“, knurrte sie und stellte den Kaffee auf den Tisch. „Vielleicht beruhigt der euch. Mich hat er nicht beruhigt.“
„Schlecht geschlafen?“, fragte Barney vorsichtig.
„Geschlafen? Bei DEM Brummen? Das wurde in der Nacht immer lauter. Ich dachte kurz, das Schloss hebt ab.“
Erna sah sie an. „Wir kommen der Sache näher. Aber wir sollten nichts überstürzen. Noch nicht.“
Falbala verschränkte die Arme. „Und was, wenn es sich nicht überstürzen lässt? Wenn es einfach losgeht?“
„Dann sind wir besser vorbereitet, wenn wir es verstanden haben“, sagte Barney ruhig.
„Wir müssen wissen, was wir da überhaupt vor uns haben.“
Falbala schwieg einen Moment, trank einen Schluck Kaffee – dann schnaubte sie leise.
„Gut. Dann spielt ihr noch ein bisschen mit euren Schaltplänen. Ich geh duschen. Und wenn das Brummen heute Nacht wieder losgeht, zieh ich in den Westturm um.“
Sie ging. Die Tür fiel ein wenig zu hart ins Schloss.
„Sie macht sich Sorgen“, sagte Erna leise.
„Wir alle“, antwortete Barney. „Nur zeigt sie es anders.“
Am Abend stand Falbala wieder im Keller. Allein.
Die Taschenlampe in ihrer Hand war alt, der Lichtkegel schwach – aber genug, um die Umrisse der Maschine zu erkennen.
Das Brummen war zurück. Tiefer, schneller, fordernder. Es vibrierte im Mauerwerk wie eine Anklage.
„Wenn ihr euch nicht entscheidet, dann tu ich’s eben“, murmelte sie.
Sie trat näher, kniete sich vor den Kollektor, legte die Hand auf das Glas – warm, aber nicht heiß.
„Du willst Hilfe. Und ich kenn jemanden, die sowas kann.“
Sie hatte sich vorbereitet: Handschuhe, Tuch, eine kleine Werkzeugrolle aus der Küche – keine Gewalt, nur Vorsicht.
Der Kollektor ließ sich lösen. Langsam, zögerlich, aber ohne Widerstand.
Als hätte er auf sie gewartet.
Falbala wickelte ihn vorsichtig ein, verstaute ihn in einer Tasche und zog den Reißverschluss zu.
Dann sah sie zur Maschine.
„Magie heilt man nicht mit Schraubenschlüsseln“, sagte sie leise.
„Magie heilt man mit Magie.“
Ohne sich noch einmal umzusehen, verließ sie den Raum. Ihre Schritte hallten durch den Gang – und das Brummen wurde leiser.