Der Morgen über Bratonien war anders. Nicht lauter, nicht heller – nur… wach. Die Luft roch nach frischem Schnee, der Hof lag friedlich, und aus den Häusern der Stadt stieg Dampf, als ob alle gleichzeitig beschlossen hätten, endlich wieder zu frühstücken. „Es riecht nach Weihnachten“, murmelte Barney. Falbala verschränkte die Arme. „Oder nach Schnee. Aber Schnee riecht sonst nicht nach Zimt.“ Erna nickte zustimmend. „Dann ist es Weihnachten.“ Hades stand neben ihnen auf der Treppe des Schlosses, die Hände in den Taschen, das Gesicht halb im Kragen vergraben. „Es ist früh“, brummte er. „Sehr früh.“ „Ja“, sagte Falbala. „Das passiert, wenn man die Welt rettet. Danach hat man plötzlich Termine.“ Hades verdrehte die Augen. „Wunderbar. Erst bin ich kaputt, jetzt bin ich beliebt. Das ist ja noch schlimmer.“ Doch er grinste dabei, und das allein war schon mehr Leuchten als die Maschine am Vortag ausgespuckt hatte.
Im Laufe des Vormittags passierte etwas, das in keinem Kalender vorgesehen war: Bratonien wachte auf. Menschen kamen zum Schloss – erst vorsichtig, dann immer mehr. Jemand brachte Plätzchen. Jemand anderes einen Tannenzweig. Der Bäcker schickte warmen Stollen, „aus Versehen zweimal gebacken“. Kinder liefen kreuz und quer, schneebedeckt und glucksend, weil es plötzlich Spaß machte, draußen zu sein. „Das wird ein Fest“, sagte Erna. „Ein riesiges“, ergänzte Falbala. „Ein logistischer Albtraum“, seufzte Barney. „Ich geh wieder schlafen“, murmelte Hades. „Nein“, sagte Falbala. „Du ziehst jetzt das hier an.“ Sie hielt ihm einen roten Mantel und eine Mütze hin. Hades starrte sie an, als wäre sie gerade geköpft worden. „Auf gar keinen Fall.“ – „Doch.“ – „Warum?“ „Weil du die Figur hast.“ Erna: „Und den Bart.“ Barney: „Und die Ausstrahlung.“ Hades: „Ich HASSE euch.“
Zehn Minuten später stand er im Hof, in Rot gehüllt, mit einer Mütze, die zu groß war und irgendwie schief hing. Ein Kind blieb stehen, starrte ihn an und fragte flüsternd: „Bist du… der echte Weihnachtsmann?“ Hades sah runter. Für einen Moment war er wieder der alte Hades: müde, trocken, wenig begeistert. Dann seufzte er. Leise. Fast liebevoll. „Heute schon.“ Das Kind strahlte, und Hades strahlte zurück, obwohl er es natürlich leugnen würde.
Das Fest nahm Fahrt auf. Nicht chaotisch, sondern in diesem bratonischen „Wir machen das jetzt“-Rhythmus. Musik füllte den Hof, nicht zu laut, mehr wie ein atmender Hintergrund. Menschen brachten Essen, teilten Geschichten, lachten, atmeten auf. Die Maschine im Schloss schimmerte durch die Fenster, ein warmes, stetiges Pulsieren, das alles verband. Kein Lärm, kein Blitzen, kein Spektakel. Nur ein Herzschlag. Falbala, Erna und Barney standen irgendwann nebeneinander und sahen Hades zu, wie er mit Kindern sprach, ihnen Plätzchen gab und überhaupt nicht merkte, dass er der Mittelpunkt des Tages war. „Wir sollten ehrlich sein“, murmelte Barney. „Was denn?“, fragte Erna. „Es ist komplett deine Schuld“, sagte er. „Du hast Hades Weihnachtsmann genannt.“ Falbala grinste. „Und? Er macht das großartig.“ „Er wird uns dafür hassen“, meinte Erna. „Bestimmt“, sagte Falbala. „Aber später.“
Als der Abend dämmerte, stand Hades schließlich bei ihnen. Sein Mantel war voller Kekskrümel, sein Bart voller Schnee, sein Gesicht warm und zufrieden. „Das war… schön“, sagte er, als müsste er das Wort erst schmecken. Erna lächelte. „Weihnachten.“ Hades sah auf die Stadt, auf das Licht, auf die Menschen, die sangen und lachten. „Ja“, sagte er leise. „Endlich.“ Bratonien leuchtete. Keine Explosion. Kein Zauberfeuer. Nur ein tiefes, stilles, echtes Leuchten, das den Hof erfüllte und weit über das Schloss hinausreichte. Es war Weihnachten. Wirklich. Diesmal ganz bestimmt.
Bevor dieses letzte Türchen sich schließt, möchte ich dir – ja, dir, der du jeden Tag ein Kapitel geöffnet hast – etwas sagen. Diese Geschichte ist nicht einfach so entstanden. Sie wurde erkämpft, erlacht, errungen, zwischen Zweifel und Begeisterung, zwischen Durchhängen und Drauflosstürmen. Es gab Tage, an denen die Worte flossen wie der Schnee über Bratonien – und Tage, an denen jedes einzelne Wort erst mühsam überredet werden musste. Ich hatte auf diesem Weg einen Partner an meiner Seite, der mich immer wieder herausgefordert hat: mit anderen Blickwinkeln, anderen Wegen, anderen Ideen. Manchmal haben wir uns festgerannt, manchmal sind wir Umwege gegangen, aber nie schlechte – nur andere, die am Ende genau dorthin geführt haben, wo diese Geschichte hinmusste. Und dann gab es zwei Menschen, ohne die dieses Abenteuer nie begonnen hätte. Meine beste Freundin, die Erna nicht nur kennt, sondern sie tatsächlich spielt – mit derselben Wärme, Klarheit und Bodenständigkeit, die diese Figur in Bratonien trägt. Ihr Anteil an dieser Geschichte steckt nicht auf dem Papier, sondern in jeder Haltung, jedem Blick, der die echte Erna genauso unverwechselbar macht wie die aus diesem Kurzroman. Und meine Frau, die in dieser Geschichte keine eigene Rolle hat, aber im Hintergrund jede meiner Ideen unterstützt, mich machen lässt, wenn ich mich verrenne, und mich festhält, wenn ich zweifle. Ohne ihre Geduld und ihren Glauben wäre Bratonien nie mehr geworden als ein Gedanke zwischen zwei Tagen. Ohne die beiden wäre dieses Abenteuer nie entstanden. Für sie – und für dich – ist dieser Kurzroman geschrieben worden. Wenn du Bratonien jetzt verlässt, dann nimm vielleicht ein kleines bisschen davon mit: dass Hoffnung manchmal im Keller sitzt and nur darauf wartet, dass jemand sie wieder abholt. Dass Streit nicht das Ende bedeutet. Dass Lachen retten kann. Und dass Weihnachten nicht am Kalender hängt – sondern an Menschen.
Vielen Dank, dass du Bratonien besucht hast. Dass du Hades, Erna, Falbala und Barney begleitet hast – durch Schnee, Streit, Maschinenknirschen und ein paar sehr fragwürdige Dekoversuche. Geschichten wie diese leben nicht von Perfektion. Sie leben von Menschen (and einem Techniker), die stolpern, zweifeln, lachen, und sich trotzdem wieder zusammentun. Wenn in dir nach dieser Reise ein kleines Leuchten geblieben ist – eins, das nicht laut sein muss, sondern einfach nur echt –, dann hat Bratonien getan, was es tun sollte. Vergiss nicht: Manchmal braucht es kein großes Wunder. Nur jemanden, der sagt: „Heute schon.“ Frohe Weihnachten – wann immer du sie brauchst.